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Esther Pfeiffer: Auf längeren Strecken zu größeren Erfolgen

© Norbert Wilhelmi
Das vergangene Jahr war für Esther Pfeiffer (Hannover 96) mit etlichen Highlights gespickt – sportlich wie privat. Nach ihrem Debüt im Nationaltrikot bei der Universiade folgten der DM-Titel im Marathon und die Hochzeit mit Läufer Hendrik Pfeiffer. Nach dem erfolgreichen Wechsel von den Mittel- zu den Langstrecken soll das für die 26-Jährige aber erst der Anfang gewesen sein.
Jane Sichting

Lange Zeit auf den Mitteldistanzen unterwegs, hat Esther Pfeiffer, geb. Jacobitz, ihren ersten deutschen Meisterschaftstitel nicht auf der Bahn gewonnen, sondern über 42,195 Kilometer auf der Straße. Mit einem Start-Ziel-Sieg dominierte sie im vergangenen Jahr als Debütantin den Köln-Marathon und löste zugleich einen Medienrummel aus. Im Fokus stand dabei jedoch weniger ihre sportliche Leistung als vielmehr der auf der Strecke verloren gegangene Verlobungsring, den sie kurz zuvor von ihrem jetzigen Ehemann, Top-Läufer Hendrik Pfeiffer (TK zu Hannover), erhalten hatte.

Spätestens als der Ring, den sie an einer Kette getragen hatte, von einem Passanten gefunden und ihr zurückgegeben wurde, fand die Geschichte ein filmreifes Happy End und ließ sich medial perfekt in Szene setzten. Wenngleich hier nicht ihr Titelgewinn in 2:37:00 Stunden im Fokus war, freute sich die 26-Jährige über die Aufmerksamkeit in der Presse.

„Da ich weiß, wie schwer es ist, mit der Leichtathletik in die Medien zu kommen, fand ich es ganz cool, dass die Story mit dem Verlobungsring etwas größer gemacht wurde. Schade ist es trotzdem, dass dabei nicht die Leistung im Vordergrund stand. Da muss ich jetzt einfach noch schneller rennen“, sagt sie.

Erfolgreicher Start ins Jahr 2024

Dass sie dazu in der Lage ist, auch mit starken Ergebnissen zu überzeugen, hat Esther Pfeiffer zuletzt auch im aktuellen Jahr mehrfach unter Beweis gestellt. Angefangen mit dem Sieg über 10 Kilometer beim 38. Schwäbischen Dreikönigslauf Anfang Januar, pulverisierte sie drei Wochen später in Sevilla (Spanien) ihre Halbmarathon-Bestzeit um zweieinhalb Minuten. Nach 70:24 Minuten kam sie als Fünfte ins Ziel und unterbot zugleich die Norm für die EM in Rom (Italien).

Darüber hinaus gewann sie im Rahmen des Laufes „Rund um das Bayer-Kreuz“ in Leverkusen Anfang März die Bronzemedaille bei den Deutschen Meisterschaften über 10 Kilometer auf der Straße. Doch wieso taucht ihr Name erst jetzt immer wieder in der Spitze der Ergebnislisten auf? Womöglich, weil Esther Pfeiffer keine Senkrechtstarterin ist, sondern auf ihrem langen Weg in der Leichtathletik erst die für sie richtige Disziplin finden musste.

Früher Einstieg

Früh angefangen hat die heute 26-Jährige allemal: „Schon im Kindergarten habe ich beim Fangenspielen immer ganz viele andere Kinder gefangen, wurde selbst aber nie gefangen. Und da hatte mir mein Erzieher empfohlen, es mal mit Leichtathletiktraining zu probieren“, erinnert sie sich. Die ersten spielerischen Einheiten folgten im Grundschulalter. Nachdem sie die disziplinübergreifende Grundausbildung durchlaufen und im Jugendbereich begonnen hatte, sich zu spezialisieren, richtete sich ihr Fokus primär auf die Mitteldistanzen.

„2016 habe ich mich das erste Mal über 800 Meter für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert“, erzählt Esther Pfeiffer. Was sie am Laufen fasziniert, sind die nackten Zahlen und der erkennbare Entwicklungsprozess. Eine Tatsache, die sie auch aktuell sehr motiviert: „Vor allem in letzter Zeit macht mir das richtig Spaß. Weil ich meine Trainingsvergleiche von vor zwei Monaten habe und sehe, wie ich immer schneller werde. Das ist mit das, was mich am meisten reizt.“

Von der Mittel- auf die Langdistanz

Das war jedoch nicht immer so. „Ich hatte damals gemerkt, dass ich mich auf der Mittelstrecke nicht mehr entwickelt habe. Vielleicht auch, weil ich nicht richtig trainiert worden bin. Aber auch meine Statur war nicht ideal für diese Distanzen – ich war immer viel dünner als die anderen Mädels, die 1.500 Meter gerannt sind“, sagt sie.

Entscheidend für den Wechsel auf die Langdistanzen war vor etwa fünf Jahren schließlich das Kennenlernen mit ihrem heutigen Ehemann. „Hendrik meinte, dass ich eine gute Ausdauer habe und es einfach mal probieren soll. Und da er selbst auf vielen Wettkämpfen war, habe ich angefangen, mal zehn Kilometer zu laufen. Das hatte schon ganz gut geklappt, so dass ich irgendwann auch meinen ersten Halbmarathon absolviert habe“, erzählt sie.

Voller Fokus auf den Sport

Der Halbmarathon ist auch jene Strecke, die heute für sie im Fokus steht. Denn trotz des DM-Titels will sie in den kommenden zwei bis drei Jahren kein weiteres Marathonrennen bestreiten. Ein bisschen wehmütig stimmt sie, dass die Distanz keine olympische mehr ist. Aufgrund ihres vergleichsweise fortgeschrittenen Alters kann sie sich über Erfolge beziehungsweise Top-Zeiten auf dieser Strecke nicht für einen Kaderstatus empfehlen, um entsprechend gefördert zu werden.

Umso dankbarer sei sie darüber, nach ihrem starken Auftritt in Sevilla endlich einen Ausrüster an ihrer Seite zu haben, der nicht nur perfekt zu ihr passe, sondern ihr auch ermöglicht, sich ganz auf den Sport fokussieren zu können. Ihr im Herbst 2023 begonnenes Masterstudium in Psychologie stellt sie indes hinten an: „Ich möchte nicht wieder dahin kommen, dass ich mich durch die Zusatzbelastung verletzte oder weniger Fortschritt mache. Aufgrund der vielen Kilometer und des harten Trainings ist man einfach auch sehr müde“, sagt sie.

Das mache sich auch im Alltag bemerkbar – etwa, wenn sie an einem freien Tag oder nach einer harten Vormittagseinheit lieber auf der Couch regeneriert oder sich in ein Café setzt, anstatt noch einmal ausgiebig spazieren zu gehen. Hier sei sie froh, mit Hendrik einen Mann an ihrer Seite zu haben, dessen Lebensstil dem ihren sehr ähnelt. „Der Sport spielt bei uns immer eine riesige Rolle, nicht nur im Training“, sagt sie. Zudem haben die beiden den Vorteil, gemeinsam ins Trainingslager fahren zu können – wie etwa zuletzt nach Kenia. Trainiert wurde in der Höhe sowohl ausdauer- als auch schnelligkeitsorientiert. 

Große Ziele für den Berliner Halbmarathon

Beides kann Esther Pfeiffer für die kommenden Rennen gut gebrauchen. Denn diese reduzieren sich nicht nur auf ihre Spezialdisziplin, den Halbmarathon, sondern auch auf die 10.000 Meter. Zwar will sie in Berlin (7. April) über die 21,0975 Kilometer sowohl die EM-Norm als auch eine Zeit unter 70 Minuten angreifen, weiß aber auch, welch große Rolle die jeweilige Tagesform und zudem die äußeren Bedingungen spielen.

Zuletzt musste sie die bittere Erfahrung machen und einen Halbmarathon in Lissabon (Portugal) aufgeben. Auf Berlin freut sie sich jetzt umso mehr. „Letztes Jahr habe ich den Halbmarathon vom ersten Meter an genossen. Berlin ist eine flache und schnelle Strecke. Wenn das Wetter gut ist, dann kann das sehr gut werden“, sagt sie. Einen Joker hat sie dabei in der Hinterhand: „Falls in Sachen Tempomacher Not am Mann ist, würde mein Trainer einspringen und mich 15 Kilometer begleiten“.

Im Training unter der Anleitung von Coach Timo Kuhlmann komme das ohnehin oft vor. „Timo hat in etwa mein Niveau, das ist sehr wertvoll“, sagt Esther Pfeiffer. Zugleich bedauere sie es ein wenig, dass sie in Hannover keine feste Trainingsgruppe hat. Zwar schätzt sie die guten Bedingungen mit der Leichtathletik-Halle und dem Olympiastützpunkt vor Ort, doch bei 12 bis 13 Einheiten in der Woche wünscht sie sich manchmal ein paar Mitläufer. Perspektivisch kann sich die gebürtige Kölnerin sogar vorstellen, ins Ausland – etwa die USA – oder zurück nach NRW zu gehen.

Die EM in Rom fest im Blick

Doch das ist Zukunftsmusik. Im Hier und Jetzt gesprochen laufe in Hannover sehr viel sehr gut. Und das soll es auch weiterhin für Esther Pfeiffer selbst. Ihr großes Ziel für den Sommer ist die Teilnahme an der EM in Rom. Das wäre nach den World University Games im vergangenen Jahr ihr zweiter Auftritt im Nationaltrikot. Und obwohl sie ihr größtes Potenzial im Halbmarathon sieht und hier nicht zuletzt aufgrund der enormen Steigerung von zweieinhalb Minuten binnen eines Jahres eine weitere Verbesserung erwartet, hält sie zugleich an den 10.000 Metern fest. 

„Da ich nicht sicher sein kann, dass ich es über den Halbmarathon zur EM in Rom schaffe, und es da auch sehr gute Konkurrenz gibt, möchte ich mich gern über die 10.000 Meter absichern. Da man diese auf der Bahn gelaufen sein muss, werde ich auch bei den Deutschen Meisterschaften an den Start gehen. Ohnehin finde ich es wichtig, auf den Unterdistanzen schnell zu bleiben, und kann mir sogar vorstellen, bei der DM in Braunschweig über 5.000 Meter an den Start zu gehen“, sagt sie. 

Der Traum von Olympia

Auf die Olympischen Spiele in Paris angesprochen bleibt sie realistisch und weiß, dass diese für sie noch zu früh kommen. Eben erst in der nationalen Spitze angekommen, will sie in den kommenden Jahren zunächst versuchen, häufiger in international stark besetzte Rennen zu kommen. „Nur wenn man sich mit Leuten messen kann, die schon Weltniveau erreicht haben, wächst man als Läuferin und kommt in der Welt gut herum. Das ist das, was ich so spannend finde“, sagt sie.

Und obwohl sie dabei etwas zögerlich lacht und zugleich erwähnt, dass sie noch nicht weiß, wohin ihre Reise geht, sagt sie schließlich: „In vier Jahren kommen die nächsten Olympischen Spiele. Und ich glaube, jeder Sportler träumt von Olympia.“ Ein Traum, der sich in Los Angeles vielleicht auch für Esther Pfeiffer erfüllen kann.

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